So einzigartig wie das Friedrich.Rückert.Poetikum selbst ist auch das Gebäude, das es beheimatet. Wahrscheinlich wurde es als Wohn-Stall-Haus, in dem Menschen und Vieh unter einem gemeinsamen Dach zusammenlebten, um das Jahr 1531 errichtet – so alt ist jedenfalls das älteste Bauteil des Hauses: Ein halber Türsturz in Form eines so genannten Eselsrückens. Diese Reste liegen heute in einer historischen Innenwand im Erdgeschoss des Hauses verborgen. Da Rohstoffe wertvoll und Baumaterialien teuer waren, hatte man den Großteil des Hauses damals kurzerhand aus Bauteilen zusammengesetzt, die aus anderen Gebäuden stammten und hier eine Zweitverwendung fanden. Anders jedenfalls ist die Vielzahl der nachgewiesenen Spolien gar nicht zu erklären!
Typisch ist hierfür auch eine Besonderheit des Hauses, die erst bei der Sanierung entdeckt wurde: Im Obergeschoss befindet sich eine Bohlenwand, die etwa Zweidrittel der gesamten Hauslänge einnimmt. Das wäre für eine Bohlenstube in einem Gebäude dieser Größe absolut überdimensioniert gewesen: Vermutlich wurden die Hölzer gleich mehrerer Wände zu dieser einen hier zusammengefügt.
Der Umbau des an einem prominenten Standort mitten im Dorf und frei am Plan stehende Wohnhauses zum Rathaus erfolgte dann im 17./18. Jahrhundert, worauf untersuchte Putzschichten ebenso schließen lassen, wie etwa der bis heute erhaltene Dielenboden im Obergeschoss. Auch im Dachstuhl wurden wohl im Zusammenhang mit der Neunutzung größere Veränderungen vorgenommen.
Weitere Umbaumaßnahmen erfuhr das Haus dann in der Zeit um 1900, als das Fachwerk auf der Nordseite im Erdgeschoss durch eine Ziegelmauer ersetzt wurde und man auch viele andere Gefache ausmauerte und sogar Innenwände entfernte bzw. erneuerte. Die letzten größeren Veränderungen erfolgten in den 1970er Jahren mit dem Einzug einer Bankfiliale.
Die eigentliche Sanierung des Hauses zu seiner neuen Nutzung als Friedrich.Rückert.Poetikum erfolgte dann ab 2015, der Innenausbau wurde 2016 abgeschlossen.